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“Wir müssen verstehen, wie das System Wald funktioniert”

Henrik Hartmann vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena ist Teil des Brain Boards von “Aktion Baum”, einer Gruppe renommierter Forscher:innen, die an Ursachen und Lösungen rund um das Thema Wald von Morgen forschen. In seiner Arbeit beschäftigt sich Henrik mit der Frage, warum Bäume sterben, wenn ihnen Wasser oder Nährstoffe fehlen und wie die Pflanzen knappe Ressourcen einsetzen.

Henrik sieht in der Aufmerksamkeit, die das Thema heute im öffentlichen Diskurs erfährt, eine Chance die Bevölkerung mitzunehmen, sorgt sich aber gleichzeitig um die immer stärkere Emotionalisierung der Debatte. Er fordert, den Kopf für das Erstellen von Konzepten einzusetzen und das Herzblut in die Umsetzung zu stecken.

Henrik, Das Thema Wald ist zurzeit in aller Munde. Wo liegen deiner Meinung nach die Probleme im gegenwärtigen Diskurs zum Thema “Wald der Zukunft”?

Grundsätzlich freue ich mich sehr, dass das Thema in der breiten Öffentlichkeit diskutiert wird. Vielen Menschen bedeuten unsere Wälder viel und sie wollen mit anpacken, um deren langfristiges Wohl zu sichern. Das ist gut so. Leider diskutieren wir sehr emotional, mit dem Herzen anstatt mit dem Kopf. Und es bilden sich Fraktionen, die gegeneinander arbeiten, anstatt miteinander. Als Wissenschaftler kann ich damit wenig anfangen. Für mich sind Fakten entscheidend, keine Emotionen. Natürlich müssen wissenschaftliche Erkenntnisse und deren Umsetzung auch von der Gesellschaft getragen und umgesetzt werden – es ist also durchaus sinnvoll, die Fakten emotional darzustellen. Es darf nur nicht umgekehrt laufen. Wenn Emotionen sich als wahrgenommene Fakten verhärten, sind wir auf dem Holzweg.

Welche Fraktionen gibt es denn zurzeit in Deutschland?

Es haben sich Lager gebildet, Forst und Wissenschaft auf der einen, Umweltschutz und Naturliebhaber auf der anderen Seite. So funktioniert das nicht, denn diese Grenzen verhindern, dass der Kopf-Diskurs in die Herzen aufgenommen wird. Die öffentliche Diskussion schüttet Brennstoff ins Feuer. Hier wird viel Halbwissen als wissenschaftliche Erkenntnis angeboten und einfache, aber unrealistische Konzepte werden als Lösungen dargestellt. Zudem wird der Diskurs oft in Richtung Forst gelenkt, der an allem Schuld ist. So ist die Debatte destruktiv und schafft gesellschaftliche Spaltung, anstatt Lösungen für unsere wirklich akuten Probleme zu erarbeiten.

Wenn du von Forst sprichst, meinst du wirtschaftlich genutzten Wald, richtig?

Mit Forst meine ich nicht nur den Wirtschaftswald, sondern die „Forstwelt“, d.h. all diejenigen die mit und im Wald arbeiten und davon leben.

Wie könnte die Diskussion produktiver werden?

Erstens müssen wir den Diskurs öffnen, den Kopf für das Erstellen von Konzepten einsetzen und viel Herzblut in die Umsetzung stecken. Damit das effektiv vonstattengeht, müssen wir – zweitens – interdisziplinäre Lösungen erstellen. Interdisziplinär meine ich nicht nur im wissenschaftlichen Sinn. Mir geht es vor allem um weiterführende, holistische Konzepte, die den Wald in unser Leben integrieren, nicht ausgrenzen. Wir als Gesellschaft müssen mit und vom Wald leben, wir gehören schließlich auch zur Natur. Hier müssen Themen wie Biodiversität aber auch Holzwirtschaft eingeschlossen werden. Das darf kein Tabu sein. Und am Ende müssen wir auch dafür sorgen, dass unsere Pläne in der Bevölkerung Akzeptanz finden, sonst können selbst die besten Konzepte nicht greifen.

Das klingt nach einer großen Herausforderung. Ist es denn so unklar, was wir tun müssen?

Aus wissenschaftlicher Sicht ist es nicht gesichert, was wir wo wann pflanzen sollten. Wer hätte noch im Jahr 2017 gedacht, dass der Wald heute so aussieht? Die Buche galt vor wenigen Jahren noch als Klimawandeloption, ich denke, dass Thema ist mittlerweile vom Tisch. Der Klimawandel trifft mit ungeahnter Wucht auf die heimischen Baumarten, und die Anpassungsfähigkeit von Bäumen ist auf lange Perioden ausgerichtet, die können sich nicht einfach mal schütteln und weitermachen. Eine Generation dauert mehrere Jahrhunderte, evolutive Anpassung ist da sehr langsam. Zudem geht die klimatische Entwicklung ja weiter. Aber wie genau? Welche Baumarten werden also als nächstes an ihre Grenzen kommen?

Wir müssen verstehen, wie das System Wald funktioniert, und das in seiner ganzen Komplexität. Wald sind nicht nur Bäume, sondern alles was sich dort an Interaktionen abspielt, mit Insekten und anderen Tieren, der anderen Vegetation, und viele der entscheidenden Dynamiken spielen sich nicht einmal oberirdisch ab und sind für uns unsichtbar. Hier gibt es mehr offene als beantwortete Fragen.

Was bedeutet das konkret in der praktischen Umsetzung. Was können wir heute schon tun, obwohl wir noch gar nicht wissen, wie der Wald von morgen aussieht bzw. aussehen sollte?

Wir dürfen sicherlich nicht abwarten, sondern müssen aktiv werden und nach bestem Wissen und Gewissen heute anfangen, den Wald der Zukunft zu gestalten. Allerdings darf das nicht dazu führen, zu stark vereinfachte Lösungen pauschal umzusetzen. Solche Ansätze sind ebenfalls zum Scheitern verurteilt.

Wir dürfen sicherlich nicht abwarten, sondern müssen aktiv werden und nach bestem Wissen und Gewissen heute anfangen, den Wald der Zukunft zu gestalten.

Es gibt Modelle, mit deren Hilfe sich berechnen lässt, was wahrscheinlich morgen passiert, aber auch diese sind zurzeit noch nicht treffsicher. Das liegt an fehlenden Grundkenntnissen und an der Komplexität des Waldgeschehens. Modelle sehen den Wald oft als Ansammlung von Einzelbäumen und von Artengefügen. Natürlich wissen wir, dass Interaktionen im Wald das Geschehen bestimmen, dass auch bei Klimaextremen Bäume nicht einfach nur vertrocknen, sondern meist geschwächt durch Dürre Insekten oder Krankheiten zum Opfer fallen. Solche und viele andere Prozesse sind meist in Modellen nicht vertreten.

Wie könnte ein Modellprojekt aussehen, um am Wald der Zukunft zu forschen?

Die Idee von Reallaboren halte ich für besonders interessant. Hier können Bäume auf ihre physiologischen Reaktionen auf Klimaveränderungen untersucht werden, mit kontinuierlichen Messungen. In solchen Laboren könnten auch ökologische Interaktionen betrachtet werden und wie einzelne Arten unterschiedlich auf Veränderung reagieren. Hier kann man lernen, warum eine Art bei Dürre stirbt, während die andere überlebt. Solchen Informationen sind dringend notwendig, um bessere Vorhersagen zu erreichen und Maßnahmen in eine klimatisch unsichere Zukunft zu projizieren.

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